Fuer die, die ihn noch aus der Bundesliga kennen: Das letzte Foto zeigt Tomas Rosicky
“ […] We want to continue this debate, so that we can build a consensus around the bestway to reduce congestion, protect the environment and support our businesses. If youwant to find out more, please visit the attached links to more detailed information,and which also give opportunities to engage in further debate.
Yours sincerely, Tony Blair “
Die Zeilen hab ich nicht erfunden, sondern die stammen tatsaechlich aus einer Email, die Tony mir geschrieben hat. Allerdings nicht nur mir, sondern auch noch ungefaehr 1,8 Millionen anderen “Englaendern”. Hintergrund: Die englische Regierung erwaegt zur Zeit, eine PKW-Maut auf englischen Autobahnen einzufuehren, offiziell um damit Staus und andere Verkehrsprobleme besser in den Griff zu bekommen, aber inoffiziell haelt natuerlich jeder das Vorhaben fuer eine Geldbeschaffungsmassnahme bzw fuer einen Schritt in Richtung Uberwachungsstaat. Einer meiner englischen Mitstudenten hier hat mir vor einer Weile einen Link zu einer Online-Petition geschickt, “Scrap the planned vehicle tracking and road pricing policy", die man auf der Homepage der Regierung unterzeichnen konnte, und weil ich der Meinung war, dass England schon genug von einem Ueberwachungsstaat hat (die hoechste Dichte von CCTV-Kameras weltweit, hab ich irgendwo gelesen, und das obwohl die Englaender sonst sehr auf ihre Unabhaengigkeit vom Staat achten und noch nicht einmal eine Ausweispflicht haben wie wir in Deutschland), hab ich die Petition unterschrieben (der Geld-Aspekt war mir eher weniger wichtig). Das Ganze wurde zu einem ziemlichen Eigentor fuer Tony Blair: Niemand hatte gedacht, dass die Petition, die von einem Gegner des Vorhabens, allerdings mit offizieller Erlaubnis der Regierung (schliesslich muss der Schein der Demokratie stets gewahrt bleiben) auf der Homepage installiert wurde, eine derartige Resonanz haben koennte. Was weiter passiert ist oder passieren wird, weiss ich im Moment nicht. Vermutlich wird man einen Weg finden, die knapp 2 Millionen Gegner der Maut “mit Argumenten und Dialog zu ueberzeugen”, d.h. die Maut mittels irgendeines Manoevers doch einzufuehren. Was soll’s.
Eine erfreulichere Nachricht: Ich hab’s geschafft, mir ein PremierLeague Spiel im Stadion anzusehen, Aston Villa gegen Arsenal London (0-1) letzte Woche in Birmingham. Das Spiel an sich war eher mau, weil Arsenal London schon nach 5 Minuten durch einen abgefaelschten Schuss wie aus dem Nichts in Fuehrung ging und danach nicht mehr uebermaessig viel passierte, aber es war trotzdem schoen. Als Ausgleich dafuer, dass das Tor auf der anderen Seite des Stadions fiel und ich nicht viel davon mitgekriegt habe, konnte ich die Spieler 3mal aus naechster Naehe bewundern, weil mein Platz fast genau beim Tunnel war und die Jungs vor und nach dem Spiel sowie in der Halbzeit direkt vor unserer Ecke vorbei mussten. Thierry Henry und Aleksiandar Hleb (mein Lieblingsspieler, als er noch beim VfB Stuttgart war) waren zwar nicht dabei, dafuer aber Jens Lehmann, Tomas Rosicky, Cesc Fabregas und andere.Das Spiel sieht, wenn man so nah am Feld sitzt (Reihe 3), ganz anders aus als im Fernsehen, weniger spektakulaer, dafuer aber “echter”. Ein Problem ist allerdings, dass man wegen der Woelbung des Platzes, und allgemein wegen der tiefen Sitzposition, nicht die allerbeste Sicht hat auf das, was auf der anderen Seite passiert.
Dafuer kann man sich ueber die Zuschauer amuesieren. Ich sass im Aston Villa-Bereich des Stadions, schraeg gegenueber hinter dem Tor die Arsenal-Fans. Wenn die “Arsenal, get up!” anstimmten, hielten die Leute in meiner Ecke mit “Arsenal, shut up!” dagegen, und wenn sie “Arsene Wenger” feierten, den Arsenal-Trainer, war das Echo “He’s a wanker!” (die deutsche Uebersetzung hat eine gewisse Aehnlichkeit, ist aber zu derb fuer diesen geistig so hochstehenden Blog). Noch witziger waer’s gewesen, wenn in meiner Ecke der harte Kern der Villa-Fans gesessen haette, aber die standen hinter dem anderen Tor und waren eher ruhig, des fruehen Rueckstands wegen, so dass bei uns immer nur ein paar Einzelne solche Sprueche brachten.Trotzdem war das Vokabular ziemlich deftig: Als Justin Hoyte von Arsenal einmal direkt auf meiner Seite ein Schuss missglueckte, musste er sich den hoehnischen Kommentar “Fucking 60 grand a week for that!?” (60 Sch…Riesen die Woche fuer so was!?”) anhoeren (und er HAT’s gehoert, da er nur 10 Meter entfernt stand), ein anderes Mal, ebenfalls nach einem missratenen Schussversuch, war der Kommentar “Well done, you fucking plum!”. Als der Schiedsrichter, mit dessen Abseitsentscheidungen die Leute nicht einverstanden gewesen waren, zur Halbzeit direkt bei uns vorbeimusste, schrieen mehrere ironisch “Offside, referee!”, und waehrend des Spiels wurde er als “black twat” bezeichnet, eine ZIEMLICH deftige Beleidigung, die ich hier (meiner moralischen Verantwortung immer bewusst, wie man sieht) nicht uebersetzen werde. Wenn die Leute gerade nicht mit solchen Spruechen um sich warfen (eindeutiges Lieblingswort: “fucking”), hatten sie ihren Spass daran, ihre eigenen Leute mit langgezogenen “Shoooot!”-Rufen zum Schiessen aufzufordern, besonders, wenn das Tor noch 40 m entfernt war. (Einer direkt vor mir sprang auf und schrie: “Fucking strike it!” Das Wort ist vielseitig verwendbar, wie man sieht.) Kurz: Sehr unterhaltsam, und viel schneller vorbei als ein Spiel im Fernsehen.
Weshalb das Ganze auch nach einer Wiederholung verlangt, und zwar – jetzt kommt das Beste – in London, an der Stamford Bridge, beim FC Chelsea, mit Ballack, Lampard, Drogba, Shevchenko und Co! Ja, ich hab’s tatsaechlich fertiggebracht, Tickets fuer das Chelsea-Heimspiel am 07. April gegen die Tottenham Hotspurs zu ergattern! Triumph, Trara, hehe!!! Wie? Ganz einfach: Ich bin Chelsea-Mitglied geworden bis zum Ende der Saison und hab mir dann ueber den Ticket Exchange eine Karte besorgt, eine Einrichtung, bei der man Tickets von Dauerkarteninhabern, die das Spiel aus irgendwelchen Gruenden nicht besuchen koennen, erwerben kann, allerdings nur, wenn man selbst ein “TRUE BLUE” ist. Ein bisschen was gekostet hat das Ganze, aber immer noch im Rahmen. Und jetzt muss ich nicht zurueckkehren von der Insel, ohne wenigstens einmal Ballack live im Chelsea-Trikot gesehen zu haben! Bin ziemlich happy, wie man wahrscheinlich merken kann.
Dazu kommt noch, dass seit vorgestern der Essay-Stress (vorerst) Geschichte ist und ich jetzt fast 5 Wochen frei habe, in denen, ausnahmsweise einmal in Ruhe, die letzten beiden Essays geschrieben bzw. die Abschlussklausuren vorbereitet werden koennen. Sehr angenehme Aussichten, wenn man (bescheidene Anmerkung) bedenkt, dass ich die letzten beiden Wochenenden jeweils fast komplett im Computer Centre verbracht und fuer den zweiten Essay von Sonntag morgens um 10 Uhr bis Montag nachmittags um 15. 15 Uhr ohne nennenswerte Pause (ganz zu schweigen von etwas so Unnoetigem wie Schlaf) durchgearbeitet habe. Lediglich von 7 bis kurz nach 8 Uhr morgens ein kleines Nickerchen, und dann ging’s weiter. Trotzdem bin ich erst eine Viertelstunde nach der Deadline fertig geworden, und dass der Schrieb etwas taugt, waere wirklich zuviel behauptet. Aber immerhin fertig, und angenommen wurde er auch noch.
Eine paar kleine Stories noch aus dem Germanistik-Seminar, in dem wir (eine Handvoll deutsche Visiting Students) mit Englaendern deutsche Buecher aus der Zeit des Kaiserreichs lesen. Es war Hermann Hesses “Unterm Rad” an der Reihe, als ein Beispiel fuer die Erziehungs- und Bildungsmethoden der Zeit und fuer das Heranwachsen von Jugendlichen unter diesen Umstaenden. Und wie vielleicht manche wissen, spielt “Unterm Rad” (obwohl die Stadt im Buch keinen Namen hat) in Calw, dem idyllischen kleinen Schwarzwaldstaedtchen, von dem ich nur 5 km entfernt wohne. Nun ist das Buch voll mit innig-sentimentalen Naturschilderungen, die eine ziemlich wichtige Rolle darin spielen, dem englischen Dozenten aber nicht besonders zusagten, weil er wohl mal im Schwarzwald war und die Landschaft ihm nicht uebermaessig gut gefallen zu haben scheint. In seiner Einleitung zum Buch zog er also ein bisschen darueber her und meinte, das sei doch alles ziemlich langweilig. Darauf ich: “I’m actually from that town where that novel is set!” Schallendes Gelaechter.Eine Woche spaeter ein aehnlich witziges Erlebnis: Der erste Weltkrieg und seine Begleiterscheinungen in Deutschland (Patriotismus, Kriegsbegeisterung, etc.) waren das Thema, und dem englischen Dozenten schien es wichtig, uns ein deutsches Hasslied, das in der Zeit ueber England gedichtet wurde, in Kopie auszuteilen. Irgendwie im Zusammenhang damit kam mir der aehnlich giftige Spruch in den Sinn, den ich in der Schulzeit mal mitgekriegt habe – “Jeder Schuss ein Russ, jeder Stoss ein Franzos” und ich bereicherte die Diskussion damit. Grinsend ergaenzte mich der englische Dozent: “… und jeder Tritt ein Brit!” Wieder was gelernt.
Und damit bis zum naechsten Mal, dann (hoffentlich) mit Bildern von Ballack und Co.!