Friday, January 19, 2007

Wieder da!


Schon ueber 2 Wochen sind wieder Geschichte seit den Weihnachtsferien, kaum zu glauben. Besonders viel ist eigentlich nicht passiert, abgesehen davon, dass das Auslandsbafoegamt in Koeln es immer noch nicht fertiggebracht hat, meinen Antrag zu bearbeiten, den ich im letzten Mai/Juni gestellt habe und zu dem sie seit 3 Monaten auch die nachgereichten Unterlagen vorliegen haben…
Letzten Sonntag war ich in London im “Imperial War Museum” – deshalb auch die ganzen martialischen Fotos; eines zeigt die riesigen Schiffsgeschuetze vor dem Eingang, ein anderes ein Geschoss des "Schweren Gustav", des groessten jemals gebauten Geschuetzes, eingesetzt im zweiten Weltkrieg, glaube ich, - und habe mir eine deutsche V2-Rakete angesehen, dazu Panzer, Kampfflugzeuge, und die “Trench Experience” durchgemacht, eine begehbare Nachbildung eines Schuetzengrabens aus dem ersten Weltkrieg, in dem ziemlich lebensechte Figuren, Sound- und Lichteffekte einem vermitteln sollen, wie sich so ein Soldat im Schuetzengraben gefuehlt haben muss – durchaus beeindruckend. Zur “Blitz Experience” bin ich leider nicht mehr gekommen, aber wenn man bedenkt, dass “The Blitz” (die deutschen Luftangriffe auf England im 2. Weltkrieg) immer noch recht stark im englischen Nationalbewusstsein vorhanden ist (z. B. gab es jetzt im Januar einen “Price Blitz” bei Tesco :-), duerfte das aehnlich eindrucksvoll sein. Als der englische Museumsfuehrer mitkriegte, dass ich Deutscher bin, hat er sofort angefangen, “unsere” tollen technologischen Leistungen im 2. Weltkrieg zu loben – hoeflich sind sie, die Englaender, das muss man ihnen lassen. Ausserdem sind (noch) alle staatlichen Museen kostenlos in England – das passt wiederum nicht zum Klischee.

Aber beschaeftigen wir uns - kleine “England-Kunde Folge 1 – fuer heute mal nur mit dem Thema “Hoeflichkeit”: Es ist die reine Wahrheit, Englaender sind tatsaechlich so hoeflich, wie man sagt. Das Tueren-Aufhalten und Sorry-Sagen ist hier eine Art Nationaltugend. Manche Leute entschuldigen sich schon, wenn man noch 2 Meter von ihnen entfernt ist, fuer eine Kollision, die im Leben nie eingetreten waere. Und man macht das nach einer Weile unwillkuerlich mit, haelt anderen die Tuer auf, nimmt geruehrt deren “Cheers, mate!” entgegen – bei Erwachsenen ohne “mate” – und freut sich darueber, was fuer ein guter Mensch man geworden ist. (Apropos “cheers”: Das sagt man nicht zur Begruessung, wie ich in meinem ersten Blog, sondern es heisst einfach “Danke”. “Thank you” sagt hier komischerweise kaum jemand).
Auch witzig – und verraeterisch: Wenn der Kassierer im Supermarkt einen mit “How are you” begruesst, dabei aber schon die Sachen ueber den Scanner schiebt und irgendwohin schaut, nur nicht auf mich, den Kunden. Mit anderen Worten: Meistens ist diese Hoeflichkeit mehr Gewohnheit als Ueberzeugung. Immerhin aber eine sehr angenehme Gewohnheit.

Damit will ich allerdings nicht den Eindruck erwecken, dass die englische Gesellschaft grundsaetzlich netter und waermer waere als die deutsche. Zum Beispiel gibt es da die CHAVs. Das steht fuer “Council House Adult Vermin”, uebersetzt etwa “Sozialwohnungsungeziefer”, und meint (eher junge) Erwachsene, die, meistens arbeitslos, ungebildet und in Adidas-Schlabber-Sportklamotten (s.u.) mit Baseballmuetzen ausgestattet durch die Gegend schlurfen oder rumhaengen, immer fuer reichlich Nachwuchs sorgen, und allgemein, wie der Ausdruck “vermin” schon zeigt, nicht zur ordentlichen Gesellschaft gezaehlt werden. Meine Mitbewohner haben mir z. B. ein paar ziemlich deftige Witze erzaehlt, die ueber CHAVs kursieren:

“A CHAV mother has 12 sons who are all called “Gary”. How does she tell them apart?” – “She calls them by their surnames!”
(“Eine CHAV-Mutter hat 12 Soehne, die alle Gary heissen. Wie haelt sie sie auseinander? – Sie ruft sie mit Nachnamen!”)

“ Two CHAVs in a car, and the music isn’t blasting – who is doing the driving? – The police!”
(“Zwei CHAVs in einem Auto, und die Musik ist nicht am Wummern – wer faehrt? – Die Polizei!”)

“How do you get 300 CHAVs in a telephone box? – You paint 3 stripes on it!”
(“Wie kriegt man 300 CHAVs in eine Telefonzelle? – Man malt 3 Streifen drauf!” – Anspielung auf die Adidas-Klamotten)

Ein anderer Witz geht gegen die Asiaten (“blink” ist ein abwertender Ausdruck fuer “Chinese”, etwa wie bei uns “Schlitzauge”):

“How do you blindfold a blink? – Use dental floss!”
(“Wie verbindet man einem Chinesen die Augen? – Mit Zahnseide!”)

Das ist nun wirklich nicht hoeflich. (Aber trotzdem zum Lachen).

Ein anderes soziales Problem scheinen die “Hoodies” zu sein (von “hood” – Kapuze), Jugendliche, deren “Markenzeichen” ihre Kapuzenpullis sind und die sich anscheinend so verhasst gemacht haben, dass man sie in Restaurants und Einkaufszentren ueberhaupt nicht mehr reinlaesst. Freitagabends sieht man Grueppchen von ihnen in der Innenstadt mit den Flaschen in der Hand, und morgens liegen dann die zerdepperten Scheiben der Bushaltestellenhaeuschen auf der Strasse. (Ungefaehr 3mal passiert an der selben Haltestelle, seit ich hier bin). Vor ein paar Wochen war ein Fall hier in den Zeitungen, als eine ganz normal und zivilisiert aussehende 61jaehrige Dame aus einem Restaurant geworfen wurde, weil sie einen Pullover mit Kapuze trug – dabei hatte sie die Kapuze noch nicht einmal ueber den Kopf gezogen.

Ich muss noch mal auf die CHAVs zurueckkommen. Neulich hab ich samstags beim Rugby-Spiel hier in Coventry – das Stadion ist nur 300 m von unserem Haus entfernt – eine Weile durch den Zaun geschaut, um herauszufinden, ob dieser Sport was taugt. Scheint ein ziemlich kriegerisches Spiel zu sein, in dem Fronten aufrechterhalten bzw. zurueckgedraengt und durchbrochen werden muessen, in dem die Spieler bruellen und einander wild zu Boden reissen – seltsam, dass wir Deutschen daran keinen Gefallen gefunden haben. Jedenfalls kamen irgendwann 3 junge Maenner daher, zwei mit Baseballkappen und Adidasklamotten, der dritte mit einer Kippe im Mund, die er beim Sprechen natuerlich nicht rausnahm (einer der beiden anderen hatte seine hinterm Ohr stecken): Vom Spielstand hatten sie keine Ahnung, obwohl er gross an der Anzeigetafel stand, die Ordnerin wurde lautstark danach gefragt und dann sogleich angemacht, als Coventry punktete, sprangen die drei mit wildem Gefuchtel und Oli-Kahn-aehnlichem “Uh- uh!” hinterm Zaun auf und ab, ansonsten spuckten sie dauernd auf den Boden, und jedes zweite Wort war “fucking” – CHAVs wie aus dem Bilderbuch! Musste mich zusammennehmen, um nicht loszulachen und mir Pruegel einzuhandeln.
Ein anderes, aber viel schoeneres Erlebnis hatte auch mit CHAVs zu tun: Fast direkt beim Stadion stehen ein paar der trostlosen Sozialwohnungen, von denen die Leute ihren Namen haben. Auf einem Zaun davor hatte ich mehrere Katzen entdeckt und war mit dem Fahrrad hingerollt. Es waren 3 suesse Kaetzchen und ihre Mutter, die da auf dem Zaun kauerten, und ich musste sie natuerlich eine Weile bewundern. Auch da war ein kleiner farbiger, vielleicht 8jaehriger CHAV-Junge, der mich erst eine Weile beaeugte, und mir dann ungefragt, in freundlich-sachlichem Ton die Namen der Kaetzchen nannte: “This one’s Chocolat, the other one is Tinkerbell, and this one is Sylvester.” Und dann nahm er, waehrend ich weiter dastand und die niedlichen Dinger begutachtete, eines von ihnen auf den Arm, schnupperte daran, verzog das Gesicht und sagte streng: “You stink!”. Als ich in genau dem Moment wieder zu ihm hinsah, meinte er (jetzt zu mir): “Not you!”. Koestlich!

Ein Bild der typischen CHAV-Wohnungen siehe oben, und damit verabschiede ich mich auch schon wieder.

1 Comments:

Anonymous Anonymous said...

natha, natha,
habe leider ganz vergessen, nen kommentar unter deinen eintrag zu schreiben, war ja wieder ganz nett... die chavs-witze... ja, ja, du lausbub ;) stille wasser sind tief... hehe

6:36 AM  

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