Sunday, October 08, 2006

Englische Haerte




Da bin ich wieder. Mittlerweile ist auch die zweite Woche vorbei, und das Studieren hat begonnen, wenn auch noch sehr gemaechlich. Die vergangene Woche war die erste von zehn in Term 1 – das Studienjahr hier ist in drei Terms zu jeweils 10 Wochen aufgeteilt – und damit die sogenannte “Freshers’ Week”, d.h. die Einfuehrungswoche fuer alle frisch ins Studium startenden Anfaenger. Zugleich finden in der Freshers’ Week” die “Sports Fair” und die “Societies Fair” statt. Es gibt an der Uni Warwick ungefaehr 250 sogenannte Societies, also studentische Klubs und Organisationen, die meinen ersten Eindruecken nach meist sehr kompetent organisiert sind und mit vollem Eifer betrieben werden, und die Societies Fairs sind so etwas wie Messen, auf denen sich die Societies praesentieren und um neue Mitglieder werben. Das Ganze fand statt in der Students’ Union, und hatte etwas von einem orientalischen Markt, auf dem wild durcheinandergeschrien wurde, Bands spielten und man an jeder Ecke einem entschlossen grinsenden Studenten in die Arme lief, der/die einem einen Flyer aufnoetigte und zusaetzlich mit Suessigkeiten und Aehnlichem nachzuhelfen versuchte. Eine meiner englischen Mitbewohnerinnen z.B. hat sich als Werbung fuer ihre Anime/Manga-Society als Ninja verkleidet. Das gesamte Spektrum reicht von allerlei Sportarten ueber Politik, Musik und Kultur bis hin zu so exotischen Sachen wie der A.R.V, der “Animal Rights and Vegetarian Society”, die auf ihren Handzetteln mit dem Spruch wirbt: “Tortoises live 150 years… Because they are vegetarian. – Join A.R.V today – Be phenomenal”. Oder ein anderes Plakat, das ich an einem Pfosten entdeckte: “Want to improve your Swahili? Win a free phrase book at the …”. War schon ein buntes Spektakel.
Ich selbst habe derlei Krimskrams natuerlich links liegen lassen und mich unverzueglich fuer die Trials der Uni-Fussballmannschaft angemeldet. Jetzt hinke ich auf dem rechten Bein, und mein linkes Knie traegt Stollenabdruecke. So it goes. Die Englaender nennen das “competitive”. Es gibt hier eine Uni-Mannschaft, die, wie fast alles, sehr gut organisiert ist und deren Mitglieder mit gebuehrendem Standesbewusstsein, in voller Montur mit Sponsoren auf den Trainingsanzuegen und ungemein wichtigen Mienen auf und ab paradieren. Es hatten sich ausser mir noch schaetzungsweise 150 weitere kampflustige junge Maenner angemeldet, und entsprechend wild ging dann das Vorspielen los, weil jeder die Coaches am Spielfeldrand beeindrucken und nicht schon am ersten Tag aussortiert werden wollte. Nach kaum einer Viertelstunde hatte ich schon so viele “rough tackles” ueberstehen muessen wie sonst in einem ganzen Sommer nicht. Ich hab’s trotzdem in die zweite Runde geschafft, in der am naechsten Tag die uebriggebliebenen 60 noch einmal, streng nach dem darwinistischen Prinzip, um die Haelfte reduziert werden sollten, aber nicht mehr teilgenommen, weil ich eigentlich keine Lust habe, hier ein paar Monate lang intensiv zu trainieren, sondern nur ein bisschen kicken will. Mal sehen.
Ganz am Rande fanden in dieser Woche auch die ersten Vorlesungen und Seminare statt. Genauere Eindruecke davon folgen demnaechst; bisher ist mir nur klargeworden, dass ich wahrscheinlich dauernd “self study” werde betreiben muessen, weil die Seminare und Vorlesungen hier fast immer nur je eine Stunde lang sind, und mir somit pro Woche nur 9 Stunden kostbarer Professorenzeit zugestanden werden. Ich hoffe, die Damen und Herren machen das durch umso groesseren Einsatz wieder wett.
Ein Schicksalsschlag bleibt noch zu vermelden: Ausgerechnet an diesem Freitagabend fand ausgerechnet in Coventry, fast vor meiner Haustuer also, das wichtige Qualifikationsspiel der deutschen Fussball-U21-Mannschaft gegen England (!) statt, Eintrittspreis gerade einmal 5 – 10 Pfund, und ich habs erst am Samstagmorgen gemerkt – verflixt! Aber sonst ist alles bestens, ich fuehle mich wohl in meiner neuen Wohnung, was besonders an meinen sehr netten Mitbewohnern liegt, die ich an dieser Stelle hoffentlich demnaechst praesentieren kann, und das Wetter ist immer noch so unverschaemt schoen. Am Samstag z.B. bin ich bei strahlend blauem Himmel und Sonnenschein aufgewacht, und es blieb den ganzen Tag so – was will man mehr?

1 Comments:

Blogger Jochen said...

Hi Natha,
freut mich, zu lesen, dass Du Dich mittlerweile ganz gut eingelebt hast. Solltest Du ein paar kantige Motivationssprüche brauchen, um es den Kick-and-Rush Bolzern mal so richtig zu zeigen, dann lass es mich wissen. Bei uns kommt grad "Deutschland - ein Sommermärchen" im Kino. Und was ich da so in der Vorschau von unserem Klinsi gehört habe, dürfte allemal geeignet sein, um Dich zu absoluten Höchstleistungen zu "pushen".

Lass es krachen und amüsier dich gut.

9:41 AM  

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