Saturday, February 10, 2007

Englischer Held






“England expects every man to do his duty.”
Das ist die beruehmte Losung, die Admiral Nelson vor der Schlacht von Trafalgar an seine Truppen ausgab. Der Sieg in dieser Schlacht hat immer noch einen ziemlich hohen Stellenwert im englischen Selbstverstaendnis. Immerhin ging es gegen die Franzosen (und die Spanier, aber die zaehlen nicht so viel).
Wir waren heute mit einer grossen Gruppe von internationalen Studenten auf einem Tagesausflug nach Portsmouth, vom International Office organisiert, und haben uns bei passendem (englischem) Wetter diese Hafenstadt angeschaut. Das Bild oben zeigt die Hauptattraktion des “Historic Dockyard”: Das Flaggschiff der siegreichen englischen Trafalgar-Flotte, die “HMS Victory”, mit der Nelson 1805 kuehn, wie sich das fuer einen Nationalhelden gehoert, mitten in die franzoesische/spanische Linie hineinsteuerte und prompt schon nach 30 min der Schlacht von einem fiesen, hinterhaeltigen franzoesischen Sniper, der sich in der Takelage seines Schiffs versteckt hatte, “aus dem Gefecht genommen” wurde. 3 Stunden spaeter war er tot, aber in den Geschichtsbuechern und Museen feiert man ihn bis heute.
Das Schiff, das anscheinend bis 1920 (!) die Meere besegelte, ist restauriert und begehbar gemacht worden – ein echtes Erlebnis. Ein dramatisch begabter englischer Guide fuehrte uns durch die drei Kanonendecks, aufs Oberdeck, in die Admiralskajuete (oder wie auch immer genannt), und bis runter in den Bauch des Schiffs zu den Laderaeumen und der Pulverkammer. Dabei erzaehlte er allerlei Details ueber das Schiffsleben der Zeit, z.B. ueber die Ernaehrung der Matrosen: Die drei Mahlzeiten am Tag zeichneten sich hauptsaechlich durch Kalorienreichtum und reichliche Beigabe von Alkohol aus. Wobei aber Trunkenheit ein strafbares Vergehen war und mit 12 oder mehr Schlaegen mit der “Katze” bestraft wurde. Die Matrosen nutzten stattdessen den Alkohol lieber dazu, ihr mit der Zeit schleimig-ungeniessbar werdendes Trinkwasser zu “veredeln”; selbst Jungen von unter 14 Jahren sollen taeglich eine Menge Alkohol (in Form von Grog) zu sich genommen haben, die mehr als 2 Litern Bier entsprach.
Dann die ueblichen appetitlichen Anekdoten ueber “frischen” Schiffszwieback, den der erfahrene Seemann vorsichtshalber unbesehen, im Dunkel des Schiffsbauchs, zu sich nahm; ueber Kautabak (Rauchen war verboten), dessen Endprodukte man ausspucken musste, weil Verschlucken schaedlich war (die Schiffsjungen “durften” die Kuebel dann mit blossen Haenden leermachen), ueber Kleider, die man anscheinend in einer Mischung aus Urin und Essig (oder so aehnlich) “wusch” und dergleichen mehr.
Nelson, der grosse Held, wurde uebrigens, weil er nicht auf See bestattet werden wollte, in ein mit Brandy gefuelltes Fass gelegt und darin einige Monate aufbewahrt, weil man nach der Schlacht nicht gleich nach England zurueckkehren konnte. Waren schon harte Zeiten damals.
Das Schiff ist vollstaendig mit Kanonen bestueckt (ueber hundert), konnte 35 Tonnen Schwarzpulver laden, ueber 5000 Eichen sollen beim Bau verwendet worden sein (kann ich eigentlich kaum glauben, stand aber so da), und hatte in der Schlacht eine Besatzung von ueber 800 Mann.
Wer mal hinkommt: eine Touristenattraktion, die sich wirklich lohnt.
Und wenn man wieder draussen ist, kann man gleich daneben die Kriegsschiffe von heute mit den alten vergleichen: als wir da waren, lagen gerade ein (allerdings kleiner) Flugzeugtraeger sowie das groesste Schiff der Royal Navy, die HMS Ocean, in Sichtweite vor Anker.
Danach kann man im Museum die “Trafalgar Experience” durchmachen die Ueberreste der originalen “Mary Rose” betrachten, des Schiffs von Henry VIII. Das im 16. Jahrhundert vor den Augen des Koenigs sank und im 20. Jahrhundert wiedergefunden, gehoben und restauriert wurde. Und noch weiteres, wozu wir nicht mehr gekommen sind – ein begehbares U-Boot zum Beispiel.
Zum Abschluss gab’s noch eine Portion echter (d.h. salzig-fettiger, mit Essig gewuerzter) Fish and Chips (echt gut aber, sobald man die 10 Lagen Packpapier wieder abgewickelt hatte), und dann ging’s wieder heim. Schoener Tag.
Was war noch zuletzt? Vorvorletzte Woche hat hier die “One World Week” stattgefunden, pausenlos angepriesen als “the world’s largest student-run event”, eine Serie von kulturellen, politischen, sportlichen Veranstaltungen, z.B. ein “Eurovision Song Contest”, ein “Food Festival”, bei dem die ganzen Societies ihre nationalen Gerichte aufgetischt haben (leider durfte man mit dem Ticket nur 4 der Gerichte probieren), Talks zum Nahostkonflikt oder zur Zukunft der Hochschulbildung, einen Vortrag eines politischen Karikaturisten, der fuer die eher linken unter den fuehrenden englischen Tageszeitungen seine Bildchen malt und uns genuesslich seine unzaehligen Blair-Portraits (Blair als Hund, Blair als Monster, Blair als Was-weiss-ich-was, aber immer mit riesigen abstehenden Ohren und stechendem Blick) vorfuehrte.
Apropos Blair: Dessen Sympathiewerte scheinen sich allmaehlich dem Nullpunkt anzunaehern, und alle nervt es nur noch, dass er nicht endlich den Hut nimmt. In einer (eher konservativen) Zeitung wurde er als “zwanghaft unehrlich” bezeichnet, alle Unwahrheiten aufgezaehlt, die er sich in den letzten Jahren geleistet hat, und einer meiner Professoren hat neulich in der Vorlesung einen anderen Namen fuer ihn gefunden: “Tony B. Liar”. Ist aber nicht seine Erfindung; glaube den Witz vorher schon gehoert zu haben. Die Englaender moegen ihre Politiker genauso wenig wie wir unsere.
Zwei Kleinigkeiten noch:
Vor ein paar Tagen hab ich fuer meine Housemates einen Marmorkuchen gebacken, und obwohl kein Ruehrgeraet vorhanden und das Ganze mein erster Versuch war, hat das Ergebnis nicht uebel geschmeckt und ist gut angekommen.
Und Mitte letzter Woche hat’s hier kraeftig geschneit, was ziemlich ungewoehnlich sein soll. Jetzt ist allerdings die kurzzeitige weisse Pracht schon wieder verschwunden oder zu Matsch geworden, und ich haette nichts dagegen, wenn es allmaehlich Fruehling wuerde. Auch wenn ich ihn wahrscheinlich nicht werde geniessen koennen, weil jetzt die Essay Writing Time beginnt, und damit die Wochenenden weitgehend gestrichen sind. Vielleicht schaffe ich es ja diesmal, nicht wieder erst in letzter Minute fertig zu werden, waere schonend fuer die Nerven. (Reines Wunschdenken natuerlich …). Bis demnachst, wann auch immer das ist.

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